Podcast-Folge #24
Wenn du Änderungen im Projekt
als Chancen siehst ...

#24 Änderungen managen – Die Psychologie dahinter, Teil 2

Jetzt wäre es natürlich überragend, wenn du Teil 1 der Psychologie der Veränderung gehört bzw. hier als Skript gelesen hast, also Folge #23. Wenn nicht, empfehle ich dir, mit der zu starten. Die beiden Folgen gehören untrennbar zusammen.

Schon erledigt? Mega!


Dann fasse ich nur ganz kurz zusammen, um den Übergang zu Teil 2 und dieser Folge elegant hinzubekommen:


In der vorangegangenen Folge habe ich darüber berichtet, wie manche von uns eine Arbeitsumgebung bevorzugen, in der alles vorhersehbar ist.


Der Arbeitsalltag ist hier von Wiederholungen geprägt, gleichförmig und voller Bekanntem. Was ihn energetisch günstig macht. Was ihn aber auch gleichzeitig immer dann besonders anstrengend werden lässt, wenn sich doch mal Änderungen ergeben.


Dann fehlt die Elastizität. Wie bei einem Muskel, der nur sehr einseitig benutzt wird. Andere Bewegungen fallen dann unglaublich schwer oder schmerzen zu Beginn sogar. Veränderung will also in gewisser Weise trainiert werden, um dann adäquat mit ihr umgehen zu können, wenn sie unausweichlich ist.

Bist du eher vom Typ
„ich heiße Änderungen willkommen“?

„Lieber immer das Gleiche, ohne viele Änderungen!“

Mit dieser Aussage kannst du dich eher nicht identifizieren?

Wenn du dich persönlich von der eingangs beschriebenen Arbeitsweise geprägt von Wiederholung und Gleichförmigkeit eher nicht so angesprochen fühlst, dann gehörst du vermutlich mehr zu denjenigen im Unternehmen, die Änderungen willkommen heißen. Die Neuem sehr aufgeschlossen gegenüberstehen.


Dann bist du eine Person, die im Andersartigen zuallererst Chancen sieht und wie magisch von den innewohnenden Möglichkeiten dieser Chancen angezogen wird?

In Änderungen siehst du in erster Linie Chancen?

Wenn du diese Fragen mit „Ja“ beantwortet hast, ist dir sicher auch klar, dass sowieso nix „für immer“, also auf lange Zeit so bleiben kann, wie es ist. Dir fällt es daher nicht übermäßig schwer, Bestehendes oder bereits Erreichtes loszulassen und andere Wege zu gehen und auch erlangtes Wissen in Frage zu stellen. Kurzum, Dinge auszuprobieren.

Auch dieser Hang steckt in seiner Grundform ganz grundsätzlich in allen von uns. Nur die Ausprägung ist verschieden bzw. ist es auch oft eine Frage von Kontext und Perspektive. Versprechen wir uns bspw. von unserem privaten Umfeld Stabilität und Beständigkeit. Und finden wir darin Sicherheit und Verlässlichkeit. Sehen in der Familie, den Freunden, dem Verein oder der Gemeinschaft ganz allgemein einen Anker. Dann kann es trotzdem gut sein, dass wir im Beruf deutlich offener gegenüber Veränderungen sind. Dass wir diese sogar provozieren, weil wir hier auf Abwechslung und Vielfalt aus sind. Das Andersartige und der Wandel dort reizen uns. Manche unter uns verspüren sogar eine generelle Sehnsucht nach immer neuen Eindrücken und Erlebnissen, sind regelrecht hungrig, dadurch neue Seiten in sich anzusprechen. Sie sehen darin eine Bereicherung, einen Reichtum, einen Schatz, den es zu entdecken und zu bergen gilt. Und in der Tat handelt es sich hier um einen Schatz, nämlich um die Möglichkeit, unser eigenes inneres Wesen zu ergründen, uns selbst in den verschiedensten Situationen kennenzulernen und unser latentes (also innewohnendes) Potential zur Entfaltung zu bringen und zur Gänze auszuschöpfen.

Das bedeutet, dass dir agile Projekte eher liegen.

Für dein Projekt bedeutet das, dass dir dann agiler gemanagte Projekte viel eher liegen. In diesen heißen wir Änderungen nämlich mit offenen Armen willkommen, ja fordern sie sogar regelmäßig in recht engen Abständen ein. Wir fragen pro-aktiv nach Feedback und versuchen herauszukitzeln, wie denn als nächstes maximaler Mehrwert mit den Projektergebnissen erzielt werden kann. Wir stellen uns selbst die Frage, wie wir unsere Innovationskraft unter Beweis stellen können. Neues ganz pauschal gibt manchen von uns sogar einen richtigen Kick. Wie auch eingangs angekündigt, gehe ich hier bewusst ins Extrem. Dann merken wir es uns besser und wie ich schon einmal sagte: Extreme sind erfahrungsgemäß die besten Lehrer. Die vergessen wir nicht so leicht, denn die prägen sich ein.

Starre Pläne sind bei so agilen, Wandel bejahenden Projekten dann natürlich eher hinderlich. Sprich: Das kickt nicht. Änderungen sind im agilen Umfeld die Norm und werden gezielt zur permanenten Feinjustierung und Optimierung genutzt, weil exakte Pläne nicht oder noch nicht angefertigt werden können. Entsprechend kurz sind da nämlich die Prognosefähigkeiten. Erinnerst du dich an das Beispiel mit dem Wetterbericht aus Folge #22? Hier haben wir folgendes Problem beschrieben: in puncto Wetter hast du keine Weitsicht, maximal einen Trend oder Wahrscheinlichkeiten auf Basis von Erfahrungswerten. Die Parallele ins Projekt: Was in drei Monaten genau sein wird, dazu ist ebenso niemand im Team und nicht einmal der Kunde aussagefähig. Und dir, euch als Projektteam, deinem Kunden und dem Auftraggeber macht das nichts aus.

Aktiengesellschaften sind kein Umfeld, in dem du agile Projektpraktiken finden wirst.

Das treibt dann nur den Business Analyst:innen und Controller:innen unter uns Tränen in die Augen und Schweiß auf die Haut, weil seitens der Geschäftsführung regelmäßig Prognosen für das gesamte Geschäftsjahr gefordert werden. Schließlich will man den Aktionären eine tolle Entwicklung und wichtige anstehende Meilensteine des Erfolgs in Aussicht stellen. Mit verbindlichen Deadlines – versteht sich. An der Börse notierte und frei gehandelte Aktiengesellschaften sind daher ein traditionell ungeeignetes Umfeld, um agile Projektpraktiken zu suchen und zu finden. Zumindest nicht im großen Stil oder in ihrer Reinform. Was keine Wertung ist und nicht sagt, dass Mischformen oder wiederum klassische Ansätze besser oder schlechter sind. Sie sind im eben beschriebenen Kontext nur selten zu finden.

Lean? Agilität? Anpassungsfähigkeit?

Zu Startups allerdings und kleineren und klar abgegrenzten Organisationen oder Organisationseinheiten (das kann dann auch bei einem globalen Riesen-Unternehmen der Fall sein) passt dieser rein agile Ansatz schon viel eher.


Gerade bei Startups finden wir sie nämlich auch, die hoch volatilen Projektumgebungen. Denn Startups sind vom Wandel und äußeren Einflüssen sehr viel abhängiger als etablierte globale Konzerne. In Startups muss heutzutage binnen drei Monaten bewiesen werden, ob eine Produktidee ,fliegt‘ oder nicht. Und zwar nicht in Excel, am Bildschirm, in irgendeinem Business Case Dokument oder auf dem Flipchart oder in einer schönen Powerpoint-Präsentation. Nein: am Markt. Nach einem Quartal müssen echte, zahlende Kunden da sein. Und warum? Genug, um aus den kurzen drei Monaten eine exponentielle Geschäftsentwicklung ablesen zu können. Natürlich inklusive einem System und Geschäftsmodell, das dieses exponentielle Wachstum erlaubt und zu skalieren versteht. Das Buch „Lean Startup“ ist da eine absolute Empfehlung meinerseits. (Den Link findest du auch in den Shownotes.)


Im Buch wird Anpassungsfähigkeit an volatile Märkte auf die Spitze getrieben. Und Anpassungsfähigkeit, also die Eigenschaft sich auf Veränderungen effektiv und nachhaltig einstellen zu können: nichts anderes ist Agilität. Ob das immer drei Monate sein müssen, also in welchen Zyklen diese Anpassung erfolgt, das steht auf einem anderen Blatt. Die Lean Startup Methode hat zwar diesen Zeitraum vorgegeben, der ist aber kein Merkmal von Agilität per se.

Die andere Seite der Medaille?

NUR: bei aller Euphorie, die eine solche Aufbruchstimmung in Startups und solch hyper-agile Umfelder auslöset, dürfen wir die Kehrseite nicht außer Acht lassen. Wo der eingangs besprochene Type die notwendige Veränderung scheut und damit droht, die Welt um sich herum eines Tages nicht wiederzuerkennen, weil er oder sie jedweden Wandel ausgelassen hat. So droht diesem Typen, der von der Veränderung gar nicht genug bekommen kann, ein blinder Fortschrittsglaube.

Ein Glaube daran, dass alles Neue per se gut bzw. besser ist. Das ist die Falle, vor der sich diese Menschen, insbesondere im beruflichen Kontext, hüten müssen.

Und das ist gar nicht so unrealistisch. Stell dir vor, alles Bekannte wird als eine Einschränkung wahrgenommen. Und alles Neue ist besser als der Status Quo. Wenn jedes ‚Sich-Festlegen‘ als Verlust angesehen wird, weil man sich damit ja gleichzeitig allem Neuen gegenüber verschließt. Wenn man also das ‚Immer-für-alles-Offen sein‘ als Wert erhebt. Dann kann das das eigene Umfeld – und auch einen selbst – schier wahnsinnig machen. Denn ohne jemals etwas festzulegen, an etwas festzuhalten und als gegeben zu definieren, fehlen dieser Person bald die unverrückbaren Bezugspunkte zur Orientierung.


Dann geht jedweder Fokus verloren, langfristige Ziele werden im Nu aus den Augen verloren, feste Pläne sowie verlässliche Zusagen erscheinen ihm oder ihr gar lästig und werden als pedantisch und kleinlich abgewertet. Dann finden sich solche Personen bald in einem permanenten Zustand der Ablenkung, was nicht selten auf Kosten anderer geht. Sie haben dann einen maximal verkürzten Spannungsbogen, müssen jedem Impuls sofort nachgeben. Sie halten es kaum aus, nicht sofort zu bekommen, was sie wollen. Der Status Quo wird ihnen unerträglich. Und auch Verantwortung zu übernehmen erscheint gänzlich unbehaglich. Denn diese Verbindlichkeit ist in diesem Extremzustand ja auch nicht mehr zu leisten.

Wo es dem Änderungen vermeidenden Typen, den ich in Teil 1 beschrieben habe, mit seinen Plänen und der Ablehnung vor Veränderung an Elastizität fehlte, leben diese Menschen quasi in einer Gummi-Welt, wie es der Psychologe und Therapeut Fritz Riemann in seinem Buch „Grundformen der Angst“ beschrieben hat. (Auch das verlinke ich dir in den Shownotes.)
In dieser Gummi-Welt, in der sich die Personen Chamäleon-artig neuen Situationen anpassen, wimmelt es von Möglichkeiten und Ablenkungen. In dieser Welt scheint Beobachter:innen von außen alles willkürlich. Was diese Chamäleon-Person tut oder sagt, wird schier unberechenbar. Wie ein Aal – die Person ist nicht zu fassen zu bekommen und scheint die verschiedensten Rollen zu beherrschen, je nach Situation. Wie sich dieses Aal-sein, diese Gummi-Welt im Inneren anfühlt, wage ich mir gar nicht auszumalen. Im Prinzip muss es auch eine Art Weltfremdheit sein, genau wie beim radikalen Ablehnen allen Wandels. Und beides kann zu extremer Verunsicherung führen, weil es entweder nirgends echten Halt gibt oder der nächste Halt in unerreichbarer Ferne scheint.

„Die Dehnbarkeit der Realität hat ihre Grenzen

UND, das musst du zugeben: Bei allem permanenten Wandel, entspricht dieser Wandel ALLEINE ja auch nicht unserer echten Welt. In der gibt es sehr wohl festgelegte Regeln, denk nur mal an die sozialen Spielregeln, die den Umgang miteinander prägen. Solche Spielregeln gibt es in Unternehmen gleichermaßen. Im Arbeitskontext gibt es ebenfalls definierte Strukturen – und an denen ist recht selten etwas zu relativieren. Da gelten zumeist festgelegte Hierarchien und es gibt nicht selten eine ganze LKW-Ladung fixe Vorschriften, die einzuhalten sind.
Oder denken wir an Gesetze. Halten wir uns nicht an diese, machen wir uns mitunter strafbar.

Oder ganz greifbar für dein Projekt: Denk mal an Langlieferzeile. Also Teile, die du von einem Lieferanten beziehst, beispielsweise für eine Maschine ; mit einer definierten Lieferzeit, sagen wir diese beträgt sechs Monate. Du, ich, das haben wir nun deutlich erkannt, wir begreifen also: die Dehnbarkeit der Realität hat ihre Grenzen.

„Realitätscheck – mach den Abgleich.

Realität ist Wandel. Realität beinhaltet jedoch auch Fakten und Regeln und insbesondere kausale Zusammenhänge, also Ursache-Wirkungs-Prinzipien, und geltende Gesetze. Zwischen Phantasie bzw. Wünschen und der realen Welt gilt es demnach immer einen Abgleich zu machen. In der Psychologie nennt man das Realitätscheck.


Und damit komm ich zur Kernbotschaft dieser Folge: 

Kernbotschaft:

Egal, wie du und dein Team mit Änderungen im Projektverlauf umgeht. Egal wie ihr damit bisher umgegangen seid: bemüht euch stets um einen Realitätscheck in der Gegenwart. Also konkret: macht einen Abgleich zwischen dem, was funktioniert und dem, was nicht funktionieren kann. Dogmatismus, also das Festhalten an starren Prinzipien, egal welcher Natur, ob agil oder klassisch, macht auf Dauer keinen Sinn. Dafür ist die Natur der Änderungen und sind die Einflussfaktoren allgemein zu facettenreich. Behaltet euch die notwendige Flexibilität. Und mach dir gleichzeitig auch die Dinge bewusst, die sich bewährt haben und die es wert sind, sie zu bewahren. Denn – Tadaaa – diese Orientierung am Schaffen von Werten bzw. Mehrwert, die einigt alle Ansätze des Managements von Projekten. Und das haben auch alle Ansätze zum Managen von Änderungen im Projekt gemeinsam.

Ach ja: Und wenn du gerade von mir „euch euch euch“ statt „du du du“ hörst, dann weißt du: auch Änderungen managen ist Teamarbeit, keine Einzeldisziplin.

Reflexion und Ausblick

Wie ich bereits eingangs sagte, waren das nun zwei extreme Beispiele – am jeweils gegenüberliegenden Ende des Spektrums der Möglichkeiten zum Umgang mit Veränderungen. Sie verdeutlichen in meinen Augen unheimlich gut die zwei Seiten der Medaille, die zwei extremen Formen, die der Umgang mit Änderungen im Projekt annehmen kann. Änderungen können als etwas Erstrebenswertes gesehen werden oder als etwas, das es zu vermeiden gilt. Und du wirst immer Leute finden, die einer der beiden Seiten mehr Vertrauen schenken und sich mehr mit ihr identifizieren. Rein ihrem eigenen, persönlichen Naturell, ihrer Persönlichkeit entsprechend. Dass sich die Welt stets im Wandel befindet, ist kein Geheimnis. Änderungen sind also vorprogrammiert. Doch in welcher Geschwindigkeit du sie zulässt, da gibt es alle Abstufungen.


Und das macht die Möglichkeiten zum Managen von Änderungen so vielseitig. Ein Richtig und ein Falsch gibt es da nicht. Das Umfeld sowie die Projektart und ganz zentral die Menschen, die im Projekt arbeiten, bestimmen den passenden, situationsgerechten Umgang mit Änderungen. Und positiv zu erwähnen ist auch, dass ein Extrem das andere Extrem geradezu herausfordert bzw. es befruchtet. Wodurch eine lebendige Vielfalt und ein stetes Sich-Weiterentwickeln neuer Varianten im Spektrum zwischen den Extremen entsteht.

Für dein Projekt bedeutet das: Es ist ein Fakt, dass sich Änderungen nicht vermeiden lassen, gleichzeitig aber auch Regeln, Vorschriften, soziale Normen und Gesetzmäßigkeiten gelten, ja gelten müssen. Du und dein Team, ihr könnt nun mit dem Wissen um die Natur der Veränderung aktiv beeinflussen und reflektieren, wie ihr Änderungen in diesem Spannungsfeld begegnen wollt. Ihr entscheidet, wie ihr damit umgeht, wie ihr diese managt. UND: das ermöglicht euch, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.


„Wie geht das genau?“, fragst du?
Das sehen wir uns in den folgenden Podcast-Folgen an.

Die Kernfragen, die ich darin beantworten werden lauten:

  1. Welche Tools bzw. Modelle gibt es, um Änderungen zu managen?
  2. Welche Arten von Änderungen gibt es überhaupt?
  3. Wie gelingt es dir, ein Grundverständnis für die Unausweichlichkeit von Veränderungen bei deinem Team zu erzeugen?
  4. Und wie schaffst du die Grundlagen in Form von Standards, Abläufen, Templates usw., um Änderungen auch erfolgreich zu managen, sodass sie dich und dein Team nicht überfordern?

Mit dieser Vorschau verabschiede ich mich für diese Folge, bedanke mich für deine Aufmerksamkeit und wünsche dir viel Spaß beim Reflektieren des Gehörten. Von wo auch immer du gerade zuhörst, ich freue mich, wenn du in die nächste Folge auch reinhörst und weiter dran bleibst. Das wird dann schon Teil 3 zum Thema „Änderungen im Projekt erfolgreich managen“. Ich freu mich!

Dir bis dahin alles Gute und auf zur Brillanz!

Chris

Weitere Informationen zum Thema Änderungen in agilen Projekten

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