Podcast-Folge #31
Wie du Probleme in Projekten lösen kannst
#31 Große Leader lösen große Probleme – Problemlösungstechniken Teil 1
Der Trainer und Bestsellerautor Tony Robbins sagt:
Wahre Leader, also Führungspersönlichkeiten, sind Personen, die in der Lage sind, große Probleme zu lösen.
Und ich erzähle dir nix Neues, wenn ich sage, dass deine Problemlösungskompetenz in Projekten immer wieder auf die Probe gestellt wird. Das Unerwartete ist vielleicht nicht an der Tagesordnung, aber ein Projekt ohne Probleme und plötzlich, unerwartet auftretende Risiken wäre kein Projekt.
Komplexe Probleme gemeinsam im Projektteam lösen: Let's go!
In der Podcastfolgen heute geht es um Erfolgsfaktor Nummer 4 in der Umsetzung von Projekten und um folgende Kernfrage:
Wie gelingt es dir, gemeinsam mit deinem Team komplexe Probleme im Projekt zu lösen?
Folge #31 anhören:
Dazu mitgebracht habe ich meine Lieblingsmethoden und Techniken. Heute geht es um die erste, das Ishikawa-Diagramm. Das ist zu meiner Lieblingsmethode geworden, weil es so universell anwendbar und einfach zu erklären und durchzuführen ist, dass es mir in meiner Laufbahn als Projekt Manager in fast jeder meiner Stationenen begegnet ist.
Ishikawa klingt irgendwie japanisch? Ja, damit bist du auf der richtigen Spur. Der Namensgeber für das Modell ist ein japanischer Wissenschaftler.
Mittlerweile ist die Methode absolut etabliert, und zwar nicht nur im Qualitätsmanagement, sondern auch im Projektmanagement.
Wobei: Qualitätsmanagement ist auch eine Domain bzw. eine Knowledge-Area im klassischen Projektmanagement laut PMI-Standard – wie du ja vielleicht weißt.
Ishikawa-Modell
6M: Die 6 Ishikawa-Dimensionen
Das Diagramm sieht, wie oben erwähnt, aus wie ein Fisch-Skelett. Da wo der Kopf ist, schreibst du das Problem dran. Schnapp dir gern Zettel und Stift und zeichne gleich mit.
Du kannst im Verlauf dieses Artikels, wenn dir mehr dazu in den Sinn kommt, dein Ishikawa-Modell ergänzen. Wenn dir z.B. ein Problem einfällt, das in deinem Projekt gerade quer liegt, schreib das da gern gleich hin und probier Stück für Stück die Methode selbst an deinem Problem aus.
Du kannst im Verlauf dieses Artikels, wenn dir mehr dazu in den Sinn kommt, dein Ishikawa-Modell ergänzen. Wenn dir z.B. ein Problem einfällt, das in deinem Projekt gerade quer liegt, schreib das da gern hin und probier Stück für Stück die Methode selbst an deinem Problem aus.
Neben dem Kopf hat der Fisch natürlich auch Gräten, das sind dann die Haupt- und Nebenstränge / die Haupt- und Nebenursachen, die du ja zu deinem Problem identifiziere möchtest. Von denen leitest du dann im Anschluss Maßnahmen ab, um das Problem am Schopfe zu packen und die Ursache zu bekämpfen, nicht nur kosmetisch am Problem rumzuanalysieren.
Das Ziel? Ursachen bekämpfen statt Bush-Fixes finden. Damit das Problem nicht nur für den Moment gelöst ist. Sondern es geht wirklich darum, dem ganz Problem auf die Schliche zu kommen. Stell dir also die Frage: Wo kommt es her und wo musst du ansetzen, um es zu lösen?
„Wo kommt das Problem her und wo musst du ansetzen, um es zu lösen?“
Damit du und dein Team damit nicht so alleine dastehen, gibt das Fishbone-Diagramm sechs Hauptstränge bzw. Dimensionen oder Haupt-Gräten vor. Das sind Gebiete / Domänen / Bereiche, in denen du ganz systematisch nach Ursachen suchen kannst.
Sie alle beginnen mit einem M, damit man sie sich leichter merken kann.
Die sechs verschidenen „Ms“ sind:
- Mensch
- Maschinen
- Milieu (meint Umwelt)
- Material
- Methoden (inkl. Prozesse und Tools)
- Management / Messung
Ishikawa-Diagramm anhand eines Beispiels
Da ich dein Problem jetzt nicht kenne, erzähle ich dir von einem Problem, das ich als Projektmanager in meiner Vergangenheit gelöst habe.
Und zwar war ich damals bei Danone als Multiprojektmanager unterwegs.
- Das Problem, auf das wir dort gestoßen sind, war während eines einstündigen Testlauf für Neuproduktentwicklungen aufgetaucht – und zwar war ab und an keine Etiketten auf den Actimel Flaschen. Da stehen die Geschmacksrichtung, die Inhaltsstoffe etc drauf, der Barcode ist darauf zu finden. Du siehst, worauf ich hinaus will: Ins Supermarkt-Regal dürfen nur Actimel-Fläschchen mit Banderole, mit Etikett also.
- Die Ursache(n) galt es nun zu erforschen. Wir mussten herausfinden, woran das lag, dass Etiketten fehlten. Damit wir 1. einen erfolgreichen Testlauf abschließen konnten und 2. in die Serienfertigung gehen konnten.
- Also, was haben wir gemacht? Stück für Stück alle Leute zusammengetrommelt, die im / am Prozess beteiligt waren. Ungeachtet dessen, in welcher Form sie involviert waren.
- So haben wir z. B. Operator an der Fertigungslinie befragt. Ob ihnen Auffälligkeiten begegnet sind. War etwas anders als sonst oder ist nicht nach Plan gelaufen.
- Dann haben wir zusätzlich noch den Schichtleiter befragt: Habt ihr bereits versucht, etwas anders zu machen oder spontan umgestellt? Was macht ihr denn üblicherweise, wenn so ein Problem auftritt – und es kein Testlauf ist, sondern die reguläre Serienfertigung?.
- Zudem haben wir den Techniker involviert, Involviert, ob er irgendeine (spontane) Idee hat, ob er das Problem kennt, die üblichen Ursachen dafür kennt. Oder einfach nur Feedback zum Eingrenzen des Problems an uns weiterreichen kann.
- Hinzugezogen haben wir auch eine Kollegin aus der Materialplanung. Weil sie sich bezüglich der Materialien, die sonst an dem Band laufen, am besten auskennt. Sie weiß auch, welche Materialien diesmal eingeschätzt wurden. Können wir die Spezifikation erhalten, damit wir diese mit den Datenblättern (vom Produkt und vom Material) vergleichen können, um anschließend mit Quality und Entwicklung ins Gespräch kommen.
- Dann gab es einen Process Optimization Manager – für Packaging und Verpackungen. Der hatte grundsätzlich den Überblick über alle Materialien, die so i.d.R. an den Maschinen im Werk laufen. Das kann natürlich sehr wertvoll sein, um den Ursachen auf die Schliche zu kommen.
- Ich als Projektleiter war natürlich auch involviert, weil es eine Neuentwicklung unter meiner Verantwortung betraf.
- Ganz entscheidend war außerdem der Performance Manager. Der konnte uns nämlich Protokolle von allen Läufen an den Linien besorgen – inklusive allen Statistiken zu bereits aufgetretenen Problemen. So konnten wir schauen: Liegt das wirklich an dem Material unseres Testlaufs, oder haben wir bereits ähnliche Muster und Strukturen und Probleme an der Linie auch schon in der nahen Vergangenheit gehabt.
Das Ursachen-Brainstorming mit allen Beteiligten ergab sukzessive folgendes Bild. Und jetzt kommen die 6 Ms ins Spie:
- Maschinen: Hier gab es eine gravierende Auffälligkeit: alles war voller Kleber – da stimmte ggf. was nicht bei der Klebereinspritzung. Und dann bleiben die Etiketten nicht an der Flasche hängen, sondern sonst wo.
Im schlimmsten Fall verstopft dann die Maschine und wir haben ein ganz anderes Problem, nämlich dass die Maschine nicht mehr einsatzfähig ist. - Material: Das Material war ein neues, das wir hier für das neue Produkt eingesetzt haben. Und bei näherer Betrachtung war ganz erstaunlich: Die Spezifikation, die geliefert wurde, wich vom Datenblatt ab.
- Mensch: Beim Faktor Mensch gab es keine Auffälligkeiten oder Abweichungen. Keine Bedienfehler in Sicht – es wurde nichts anders gemacht als sonst. Die Testprozedur wurde streng eingehalten.
- Milieu (meint Umwelt): Um diesen Punkt etwas besser verstehen zu können: In der Regel wir das Material, das am Band verwendet wird, nicht später als 12 Stunden vor Produktionsbeginn bereits von der Lagerhalle in die Produktionshalle geschafft. Dort wird es neben das Band gestellt, damit sich das Material schon mal akklimatisieren kann. Die Produktionshalle (ungekühlt) hat nämlich ein anderes Temperaturumfeld als die Lagerhalle (gekühlt). Wir haben festgestellt: das Material wurde in letzter Sekunde rangeschafft, und nicht wie geplant wenigstens 12 Stunden vorher.
- Methoden (inkl. Prozesse, Tools): Hier konnten wir nichts feststellen.
- Management/Messung: Keine Messfehler zu verzeichnen. Das wurde noch mal kontrolliert. Und der Fehler war ja auch ziemlich augenscheinlich. Es fehlten schlichtweg Etiketten.
Was im Laufe der Untersuchung des Technikers an den Maschinen noch herauskam, war: Die Messer waren stumpf, die die Labels von der Etiketten-Endlosrolle abschneiden. Wo würdest du das hinpacken? Management, Methoden, Mensch, Material?
Wahrscheinlich zu den Maschinen. Also Fazit: Die Messer an den Maschinen müssen öfter gewartet werden.
Einladung an dich:
Du hast ein eigenes Problem bei der Hand? Jetzt sollten die 6 Ms in deinem Fischgräten-Diagramm ziemlich eindeutig sein. Geh die gern mal sukzessive durch. Ergründe und stell Vermutungen an, wo Ursachen für dein Problem zu finden sind.
Wichtig dabei: Zuerst alleine, bevor du das Ganze dann an dein Team heranträgst.
Wie geht’s bei den Etiketten weiter?
Ende vom Lied: wir haben vor Ort Messeinrichtung für Q-Checks anschaffen müssen, weil mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen war, dass es dort minimale Abweichungen bei Materialdicke und Oberflächen-Friktions-Koeffizient gibt.
Außerdem mussten wir beim Lieferanten, sprich in der Lieferkette, nachbessern (Grenzwerte für Q-Abweichungen).
Daraus ergab sich ein schöner Vorteil aka Side-Effekt: Für bestehende Materialien wurde dasselbe gemacht – es stellte sich nämlich heraus, dass wir auch mit anderen Standard-Materialien Probleme hatten.
Die Korrektur hat auch dort dazu geführt, dass die Maschinen weniger oft stillstanden – die Overall Efficiency / Effizienz der Laufzeit der Produktion konnte so gesteigert werden. Das reduzierte den Stückpreis für die Herstellung und brachte eine Ersparnis um mehrere 100 Tausend Euro für den Standort… ja, kein Wunder, wenn knapp 4 Mio. Flaschen am Tag produziert werden.
Ishikawa – Vor- und Nachteile
1. Vorteile der Methode
- Super für Brainstorming im Team
- Super zur Visualisierung von sonst sehr kognitiven Überlegungen und Zusammenhängen
- Und damit auch super als Diskussionsgrundlage, um weitere Expert:innen hinzuzuziehen
- Super, weil man keine Dimension/keinen Aspekt vergisst – siehe 100% Regel – und damit weniger wahrscheinlich etwas Wichtiges übersieht.
Es ist also ein Brainstorming mit einem wortwörtlich vielseitigen System & einer simplen Struktur - Ein Vorteil in sich: die Methode ist super simpel & somit flexibel und schnell einsetzbar bzw. nutzbar
- Es gibt keine Vorgaben zur Detailtiefe (alle Beiträge werde berücksichtigt)
2. Nachteile und Grenzen der Methode
- Die eben besungene Detailtiefe kann auch zum Nachteil werden:
- Es kann sehr schnell sehr viel zusammenkommen und dann unübersichtlich werden (egal ob Offline-Klebezettelchen an einer Metaplanwand oder digital auf einem Whiteboard)
- Dann muss wieder sortiert werden: Was gehört auf welche Ebene?
- Und es braucht auf jeden Fall eine Priorisierung, um den Überblick zu bewahren, was nun konkret daraus abgeleitet werden kann
- Wobei am Ende eh priorisiert werden muss – am besten im Hinblick darauf, wie groß du/ihr schätzt, dass der Anteil als Ursache am Problem ist
- Es ist ein Ursachen-Finde-Tool, kein Lösungstool
- Es fehlt also noch der Transfer bzgl. „Was jetzt zu tun ist“
- Das kann dazu führen, dass man immer tiefer gräbt (Ursache von Ursachen) alles nur noch unübersichtlicher wird
- Für komplexe Probleme also weniger geeignet
- Außer wenn das Problem in weitere Sub-Probleme zerlegt wird und du dazu zwei oder mehr separate Diagramme erstellst
- Abhängigkeiten darzustellen, wenn sehr viele Ursachen identifiziert wurden, kann zusätzlich zur Unübersichtlichkeit beitragen
- Gerade Wechselwirkungen (also eine Ursache bedingt die andere) lassen sich zunächst überhaupt nicht schön erkennen/darstellen – natürlich kannst du tricksen und sagen, Ursachen die einander bedingen bekommen die selbe Farbe der Post-its oder werden mit Klebepunkten o.Ä. markiert
„Ihr sucht nicht alle Gründe, sondern nur die, die ein echter Hebel sind.“
- Nie vergessen:
- Ihr sucht nicht alle Gründe/Ursachen, sondern die, die ein echter Hebel sind.
- Also ruhig auch zwischendurch immer wieder bereinigen, was ihr gefunden habt und die Spreu vom Weizen trennen.
Tipp und Kernbotschaft in einem:
Bei aller Komplexität und Vielschichtigkeit: Haltet auch weiter Ausschau nach den einfachen Ursachen und Lösungen für ein komplexes Problem. Die Antwort scheint ggf. zu simpel und wir wollen sie nicht wahrhaben. Daher übersehen wir sie gerne.
Ein Beispiel dazu:
„Wir sollten uns jetzt endlich mal von dieser Maschine oder dem Lieferanten trennen.“
Ja, das sind „hard choices“, weil sie unbequem sind. Sie ziehen meist Folgekosten und Aufwand nach sich.
„Hard Choices ziehen Folgekosten oder Aufwand nach sich – wann lohnen sie sich trotzdem?“
Selbst wenn die Antwort/Lösung / Ursache auf der Hand liegt, muss erst die Bereitschaft geschaffen werden, diesen Weg einzuschlagen. Denn es kann sein, dass wir die Konsequenzen scheuen.
Warum? Ja, ganz einfach: weil uns die Konsequenzen nicht gefallen mögen & die Schritte, die demnach einzuleiten sind. Deshalb kann es sein, dass wir uns davor drücken, die richtigen Wege einzuleiten. Stattdessen basteln wir am Problem rum, lösen es aber faktisch nicht.
Mir machen solche Modelle und die Reflexion zu den Vorteilen und Nachteilen, Grenzen und Anwendungsbereichen, wie wir sie hier sehen, immer unglaublich viel Spaß.
Mehr Tricks, Kniffe, Modelle, Moves
Wenn es dir da ähnlich geht, du jetzt mehr wissen möchtest und vielleicht noch mehr Kernbotschaften mit in dein Projekt nehmen möchtest: Mehr Tricks, mehr Kniffe, mehr Modelle, mehr Moves … und wenn du sowieso vorhattest, dich im Bereich Projektmanagement persönlich weiterzuentwickeln, dann wird dir das „Next Level Project Skills“-Onlinetraining gefallen.
Wie der Name schon sagt, geht es darum, dich aufs nächste Level zu heben – in deiner Rolle als Projektleiter:in oder Projektmanager:in.
Und zwar mit klaren Strukturen, einem sauberen Überblick über deine Projekte, dem passenden Grad an Agilität in deinem Projekt. Mit Fokus für das Wesentliche. Und damit auch mehr Wirksamkeit bei gleichem Energieeinsatz… und für die Anerkennung, die du als Projektleiter:in in deinem Unternehmen verdienst.
Den Link zum Kurs findest du hier. Und wenn du Fragen hast, schreib mir einfach.
Damit sind wir am Ende dieser Podcast-Folge angelangt. Vielen Dank fürs Dabeisein. Viel Spaß beim Anwenden des Gelernte und:
Auf zur Brillanz!
Chris
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