Podcast-Folge #39
6 Retro-Vorlagen für dein Projekt

Folge #39: Sechs Vorlagen für Retros: Von der Alibi-Veranstaltung zur ernst gemeinten, nachhaltigen Retro

Wissen absaugen. Vorlagen für dein Projekt ziehen. In dieser Folge geht es um das Thema Retrospektiven. Lass uns einsteigen in die Folge, oder?

In der beantworte ich wie gewohnt ein paar Kernfragen.


Die Kernfragen, die wir in dieser Podcast-Folge näher beleuchten und beantworten wollen, lauten daher:


  1. Was genau ist eine Retro?
  2. Wie führst du eine Retro durch?
  3. Wann und wie oft führst du eine Retro durch?

Wie werden Retros
nachhaltig?

Wenn du dir jetzt denkst „Na ist das nicht mittlerweile Standard?“, dann sage ich:
Jep, sehe ich genauso, das sollte es zumindest sein. Daher hole ich nicht zu weit aus, sondern beantworte die Frage kurz, bündig und präzise.

Eine Retro dient der Reflexion des WIE.
Also:


  • Wie ihr zu euren Ergebnissen gekommen seid.
  • Wie (gut oder schlecht) eure Zusammenarbeit funktioniert.
  • Ob ihr alles habt, was ihr braucht, um euch einzubringen und euer Potenzial auszuschöpfen. Du selbst, genau wie alle anderen im Team. Dabei geht es um Ressourcen wie ganz individuelle Bedürfnisse, um einen guten Job abliefern zu können.
  • Und deshalb dient die Retro auch der Reflexion, ob euch etwas oder jemand behindert, euer Bestes zu geben.

Das sind Fragen, die wir uns ohnehin ganz intuitiv jeden Tag stellen, für die aber ohne eine Retro i. d. R. das dezidierte Format fehlt. Was erst mal okay ist, solange wir diesen Fragen in unseren Teammeetings, Reviews, Lenkungskreisen Zeit einräumen.

Häufig werden diese Termine jedoch stark von der inhaltlichen Agenda und dem WAS dominiert. Correct me if I’m wrong, aber den Arbeitsfluss nehmen wir da selten unter die Lupe und wo in der Zusammenarbeit noch Potenzial liegt. Die Frage stellt zu 99,9 % auch niemand in solchen Meetings.


Die Retro ist also ein Format, um systematisch darüber zu sprechen, wie wir unsere Arbeit machen und als Team performen und aus den Diskussionen und Erkenntnissen Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten.

Mit dem Ziel, klar: Effizienter zusammenzuarbeiten und die gesteckten Ziele zu erreichen. Denn idealerweise sind sie ein Katalysator für kontinuierliche Verbesserungen, offene Kommunikation und eine positive Teamdynamik.

Okay, nächste WIE-Frage:
Wie sieht so eine Retro aus?
Was läuft da ab? Wie moderiere ich die? Wie bringen sich die Beteiligten am besten ein? Wie wird es produktiv? Wie vermeidest du, dass dein Team genervt mit den Augen rollt und die Retro nicht als Zeitverschwendung abstempelt?
Wie eingangs schon gesagt, gar nicht so unwahrscheinlich, wenn Retros grundsätzlich schon bekannt sind. Auch ich habe schon erlebt, wie das Team Retros als Laber-Runden abgestempelt hat und einfach nicht erschien.

Beim ganzen Experimentieren mit Agilität ist die Retro häufig eines der Formate, das sich schnell einführen und mal ausprobieren lässt. Sind die unproduktiv, wird nicht selten gleich die Retro per se in Frage gestellt, statt zu schauen, wie man sie anpassen müsste, damit sie ihr Ziel erreicht. Denn gegen Effizienz hat ja an sich niemand was.

Hier kommen also 6 Methoden mit den passenden Vorlagen zum Download. Such dir einfach raus, was für euch am besten passt:

Die 5-Finger-Methode

Speziell in Zeiten, in denen wir viel Zeit am Rechner und vor vielen Bildschirmen verbringen, verspricht die 5-Finger-Methode eine erfrischende Abwechslung. Zudem ist sie sehr eingängig und super schnell gemacht. Meine Teams fanden die Methode sogar immer ziemlich unterhaltsam und amüsant. Warum das so gut funktioniert? Mach einfach mal mit:

5 Finger Methode

Na? Hast du direkt mitgemacht? Ich hoffe doch. Denn das ist auch gleich meine Empfehlung für den Einstieg in die Methode. Statt sie deinem Team lang und ggf. umständlich zu erklären, starte einfach selbst und mach vor. Gehe mit gutem Beispiel voran. Und wenn die anderen dran sind, schau, dass du die Beiträge mitdokumentierst. Bei mehr als 5 Leuten im Team wird es sonst schnell unübersichtlich, wer was gesagt hat.


Fällt mal jemandem zu einem Finger nix ein, lass laufen, das ist okay. Ihr wollt ja die wesentlichen Themen herausarbeiten und zuspitzen, nicht alle möglichen.

KISS-Methode

KISS steht für Keep, Improve, Start, Stop. Schön simpel.  Habe ich ursprünglich kennengelernt, um einander Feedback zu geben.

Kiss Methode - Keep, Improve, Start, Stop

Das Besondere an dieser Methode ist in meinen Augen und meiner Erfahrung nach das „Improve“. Es gibt euch Gelegenheit, gezielt Vereinbarungen aus vergangenen Retros auf den Prüfstand zu stellen, um zu beurteilen, ob die Maßnahmen gegriffen haben. Und wenn nicht, nachzusteuern.

Starfish-Methode

Das ist wahrscheinlich der Klassiker. Ist mir insbesondere dort begegnet, wo es um Prozessoptimierung geht. Was ja das WIE wir arbeiten beschreibt. Start & Stop & Keep sind identisch. „Less of“ und „More of“ könnten als Varianten des „Improve” in der KISS-Methode gesehen werden.  Auch hier gilt: wenig abgefahren, sehr intuitiv.

Starfish Methode

SCRUM Retro

Meine Kritik am Starfish: Wir verquirlen allzu leicht Probleme und offene Fragen im Start, Stop, More, Less. Die Scrum-Retro fragt erst mal nach „Was lief gut/schlecht bzw. worauf bist du stolz und welche Fehler sind uns unterlaufen“ als eine Art Bestandsaufnahme. Erst dann wird überlegt, was wir daraus machen oder eben bleiben lassen bzw. mal probieren.

Scrum Retro

Ganz entscheidend finde ich jedoch die beiden Boxen Offene Fragen und Problem (in SCRUM-Sprech die Impediments). Die will ich ganz explizit machen. Benennt den Elefanten im Raum.


Investiert nicht ins Sammeln von neuen Fragen, sondern ins Suchen von Antworten oder setzt Hypothesen ein.

Productivity = Speed of Learning (Lean Startup).
Das bedeutet: Wie schnell lernt ihr als Team dazu? Wie schnell deckt ihr Unklarheiten, Missverständnisse und blinde Flecken auf und beseitig diese. Denn dann könnt ihr als Gesamt-Team besser planen, abgestimmter handeln und zielgerichteter handeln.

Jetzt könntest du sagen:
Hey Chris, was wenn wir darauf keine Antwort haben oder das Problem noch nicht lösen können (zweiteres sollt ihr ja in der Retro noch gar nicht!)

Great Leaders solve great problems. Dazu musst du sie kennen/wissen. Im Scrum werden daraus oft Spike Stories, also Tasks, die Recherche, Nachforschungen, Abstimmungen, Klärungen, Analysen benötigen. Sie sind Enabler für alle anderen Aufgabe drumherum und können schnell zum Blocker werden.  Also bloß nicht verstecken.

Quantitative Retro

Retro für sehr erfahrene, reife, gut eingespielte Teams. Bisher alles sehr qualitativ, jetzt wird es messbar …

Quantitative Retro

Muda bzw. Verschwendungs-Analyse

Meine Difference Maker Methode – die Muda-Analyse bzw. der Muda-Check. Es geht im Wesentlichen darum, Verschwendung zu vermeiden. Das besonders coole an der Methode, finde ich, ist die Dynamik des Mitgestaltens. Und niemand betet vor und zeigt mit dem Finger, was alles geändert werden muss, alle identifizieren selbst, was Sinn macht. Besonders hohe Akzeptanz im Produktions-nahen Bereich. Die kennen das meist schon durch Lean.

Muda im Projekt / Verschwendungsanalyse

Weitere Retro-Methoden

Es gibt noch viele weitere Methoden, wie bspw. auch die Affektbilanz (siehe Folge #21), die auch noch tiefer in die Welt der Emotionen und Motivation eintauchen. Da kannst du einfach so mal reinhören. Und du kannst sicher auch Methoden mixen. Zwei Faktoren sind in meinen Augen für die Produktivität und Akzeptanz wichtig: Regelmäßigkeit und Follow-ups.

Retros nachhaltig gestalten

Und damit kommen wir zur Antwort auf die dritte Kernfrage:
Wie oft ist eine Retro angebracht und wie werden Retros nachhaltig?

Wenn ihr wie im Scrum ohnehin mit fixen Iterationen bspw. alle 2 bis 4 Wochen arbeitet oder in Etappen arbeitet, dann empfiehlt sich je eine Retro zum Ende jeder Etappe bzw. jedes Sprints. Wenn ihr mit Stages arbeitet, wo ihr von einer in die nächste Projektphase übergeht, dann ist auch das ein guter Zeitpunkt. Denn womöglich stellt ihr fest, dass ihr das Team dann anders aufstellen müsst. Um das zu reflektieren, dafür sind Retros auch perfekt, im Sinne der Reflexion ob ihr das, was ansteht, mit dem bisherigen Setup meistern könnt.

An der Stelle verschwimmen dann Retrospektive, also die Rückschau, mit der Planung und Vorausschau. Doch dafür machen wir die Retro ja, um aus der Vergangenheit zu lernen und Erkenntnisse für die Zukunft abzuleiten bzw. Arbeitsweisen bewusst zu bewahren, die sich bewährt haben.


Damit auch die Abgrenzung zum Lessons Learned zu Projektabschluss deutlich wird. Dazu wird es auch eine Podcast-Folge geben. Das Lessons Learned zieht abschließend über das gesamte Projekt Bilanz. Die Retro findet im laufenden Projekt statt, um positiv auf die Performance bis Projektende einzuwirken. Findet einen Rhythmus, der zu eurer Arbeitsweise passt. Je dynamischer das Projekt, desto öfter.


Und was macht sie nun nachhaltig? Der Begriff sagt es ja. Wenn ihr jedes Mal an denselben Themen vorbeikommt, dann führt das schnell zu Frust und dem Gefühl von „keine:r hört zu“, „es ändert sich ja eh nix“ oder auch „das ist vergebene Lebensmühe“.

Kernbotschaft:


Wichtig und entscheidend ist –  und das ist meine Kernbotschaft – dokumentiert, was ihr besprochen und vereinbart habt und lasst in der nächsten Retro Zeit für das Follow-up bereits definierter Maßnahmen aus vorangegangenen Retros. Es könnte dann so laufen, dass ihr erst wie gewohnt Themen sammelt, diese dann mit dem vergleicht, was bereits beschlossen wurde, und dann neue Aus- und Ableitungen für weiterführende Maßnahmen trefft.

Erfolgskontrolle in Retros – wie Retros nachwirken

So ist auch gleich die Erfolgskontrolle eingebaut, weil ihr gemeinsam reflektiert, was bisherige Maßnahmen bewirkt haben und ob sie wie beabsichtigt gegriffen haben.


Und natürlich werdet ihr nicht immer alles Negative beseitigen können. Hier ist wichtig, darzustellen, was änderbar ist und was nicht.
Was das Team selbst in der Hand hat und wo es von anderen abhängt. Wo Entscheidungen des Teams oder anderer für ein natürliches Optimum sorgen, das mitunter sehr weit vom Wunschgedanken und Maximum entfernt ist.
Wenn dem so ist, und ihr Probleme nicht aus dem Weg räumen könnt: Unterstütze deine Teammitglieder, indem du ihnen aufzeigst, was unternommen wurde und was die Begründung dafür ist, dass sich nichts weiter verbessern lässt.


Vielleicht führt das auch zu neuen Ideen, was noch ausprobiert werden könnte, statt sich festzufahren. Oder es führt zu einem Shift der Energie und eures Fokus als Team verändert sich hin zu den Dingen, bei denen ihr die Hand drauf habt, wo ihr etwas ändern könnt.

Tipps und Tricks für deine Retros

Und wenn ich dir noch einen Tipp mitgeben darf, dann Retros eher nicht als „Event“ bzw. Meeting zu betrachten. Sie dienen ja der kontinuierlichen Verbesserung. Und genau das kannst du dir zu nutzen machen.


Die Themen, die ihr da besprecht, poppen ja sehr wahrscheinlich vor oder zwischen den Retro-Meeting auf. Damit du und dein Team nicht davon abhängen, dass euch genau in dem Meeting all das einfällt, was bis dahin passiert ist, sammelt die Themen fortwährend.
Ich teile z. B. gerne Vorlage 4, das SCRUM-Retro Template aus und bitte mein Team, sich das neben den Laptop zu legen. Und immer, wenn ihnen was einfällt oder passiert, das in die Retro gehört, sollen sie es direkt dort drauf schreiben. Dann lauft ihr weniger Gefahr, etwas zu vergessen, spart euch Zeit fürs Brainstorming im Retro-Meeting und vermeidet, dass lediglich die ganz frischen und aktuellen Herausforderungen die Diskussion dominieren. Oder wie leicht fällt es dir, dich an etwas von vor 4 Wochen zu erinnern. Egal wie wichtig es war. Denn gestern war auch irgendetwas wichtig. Du siehst worauf ich hinaus will: Wenn wir es ernst meinen mit der fortwährenden Verbesserung, dem Reflektieren und Austausch zu besseren Ways of Working, dann reicht es nicht every now and then mal ein Retro-Meeting einzuberufen. Das wird schnell zur Alibi-Veranstaltung. 

Ausblick

In der nächsten Folge hören wir uns dann z. B. mit Theraband und in Sportklamotten. Hä? Du hörst vollkommen richtig, denn es wird um das Fitness-Studio für Projektmanager:innen gehen. Kleiner Spoiler: Wie auch bei den Retros geht es dabei um Kontinuität. In dem Fall das kontinuierliche Trainieren und PM-Skills verbessern. Also zur nächsten Folge dein Handtuch nicht vergessen.

Was fehlt noch? Natürlich, dir gutes Gelingen mit den Retro-Methoden zu wünschen.


Danke fürs Zuhören. Sag gerne weiter, dass sich hier etwas tut. Und lass mich wissen, mit welchen Retro-Methoden du gute Erfahrungen gesammelt hast. LinkedIn, E-Mail, du findest einen Weg.

Auf zur Brillanz!

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